„Wie weit kann man denn mit der SolarWave so fahren?“

Oder anders: „Welche Überlegungen muss man anstellen, wenn man plant mit einem Solarboot zu einem gewünschten Ort zu fahren?“

In der Regel ist das ganz einfach: ist das Ziel nicht weiter als 15 Seemeilen (knapp 30 km) entfernt und die Batterie voll geladen, dann kann der Skipper mit der üblichen Marschgeschwindigkeit (4 kn) einfach losfahren. 15 Seemeilen entspricht in etwa der Reichweite der SolarWave bei Nutzung der Energie in den Batterien bei günstigen Bedingungen („Batterie-Reichweite“). 

Soll weiter gefahren werden ist die Frage nicht mehr ganz so einfach zu beantworten, denn die Reichweite eines Solarbootes genau zu berechnen, ist komplex. Der verantwortliche Schiffsführer (Skipper) und Forschungsleiter, Falk Viczian, macht diese Berechnung bei den mittellangen Fahrten (15 – 35 Seemeilen) als Überschlagsrechnung im Kopf. Für die erste Törnplanung reicht das aus, da großzügige Reserven eingeplant werden. Bei längeren Fahrten ist es notwendig, einen genauen Törnplan aufzustellen. Den Törnplan und die Törnplanung besprechen wir in einem extra Beitrag.

Eine konkrete Frage in den letzten Tagen sah so aus: „Können wir morgen von Kerkyra (Hauptstadt von Korfu) nach Erikousa (eine der drei diapontischen Inseln nördlich von Korfu) fahren, wenn für die nächsten 2 Tage ab 12 Uhr Mittags Wind aus Nordwest mit einer Windstärke von 4-5 Beaufort (bft) vorhergesagt wird, mit einer „signifikanten Wellenhöhe“ von 1 Meter. Außerdem ist ab Nachmittag ein wenig Bewölkung vorhergesagt.“ 

Für diese Art von Fragestellung existiert noch keine vollständige Anwendung und ein wichtiger Forschungsbereich der Solarboot-Projekte ist es, die verschiedenen Komponenten zu dokumentieren, zu messen, auszuwerten und zu simulieren, um ein Vorhersagemodell und ein System für Törnplanung für den Einsatz auf Solarbooten zu entwickeln. Außerdem bildet das SolarWave Team künftige Solarbootskipper aus, da es hierfür einiger Zusatzqualifikationen bedarf. 

Bei der Frage nach der Reichweite spielen folgende Faktoren eine wichtige Rolle: 

  1. Rumpfform
    Der Energieverbrauch eines Bootes hängt sehr stark von der Rumpfform ab. Wenn bei der Fahrt durchs Wasser große Wassermassen bewegt werden, ist das sehr energieineffizient. Die SolarWave hat eine effiziente Rumpfform und hinterlässt bei der Fahrt durchs Wasser kaum Wellen. Das Beitragsbild zeigt die fast nicht sichtbare Spur der SolarWave als sie einen Kreis fährt. 
  2. Sonneneinstrahlung
    Die SolarWave fährt generell mit dem verfügbaren Solarertrag, der bei den horizontalen Solarpaneelen gegen Mittag am größten ist.  Dieser Solarertrag wird vor- oder nachmittags mit gespeicherter Energie aus den relativ kleinen Batterien ergänzt. Von der Sonneneinstrahlung her sollte das Boot also idealerweise vom späten Vormittag bis zum frühen Nachmittag fahren.
  3. Bewölkung
    Der Einfluss der Bewölkung auf den Solarertrag ist ein eigener Forschungsbereich der Solarbootprojekte, da die Art der Bewölkung einen sehr unterschiedlichen Einfluss auf den Solarertrag hat. Seit kurzem gibt es Bewölkungsvorhersagen, die aber für die Bedürfnisse von Solarboot-Fahrern noch nicht sehr zuverlässig sind. Die Solarboot-Projekte macht dazu interessante Studien: Messreihen, die den Solarertrag zu einem gegebenen Zeitpunkt messen und dazu Vergleichsaufnahmen des Himmels mit einer 360° Sphärenkamera. Niedrige Bewölkung reduziert den Solarertrag massiv, sehr hohe Cirrusbewölkung kann den Solarertrag sogar erhöhen.
  4. Wind und Welle
    Jedes Boot muss mehr Energie aufbringen um gegen Wind und Welle, also „gegenan“ zu fahren.  Das ist bei der SolarWave nicht anders. Deshalb wird bei Kursen in Richtung Nordwest im Revier der ionischen Inseln verstärkt vormittags gefahren. Bei Kursen in Richtung Südosten wird verstärkt nachmittags gefahren. Denn Wind und Welle von hinten schieben gut! 
  5. Geschwindigkeit
    Je langsamer die SolarWave bei gleichen Bedingungen fährt, desto weniger Energie verbraucht sie pro gefahrene Seemeile. Sie kann also generell umso weiter fahren, je langsamer sie fährt. Die untere sinnvolle Geschwindigkeitsgrenze ist die, bei der das Boot noch steuerfähig bleibt. Da die Steuerung bei der SolarWave durch die angeströmten Ruder erfolgt, muss die SolarWave in der Regel mit mindestens 2 Knoten (3,6 km/h) durchs Wasser fahren.  
  6. Batteriemanagement
    Das Batteriemanagement ist entscheidend für Sicherheit, Reichweite und Komfort an Bord. Die SolarWave hat insgesamt eine relativ kleine verfügbare Batteriekapazität von 15 kWh (Kilo-Watt-Stunden) in ihren 4 Lithium-Ionen Batterien. Das heißt, dass zum Beispiel zum Sonnenhöchststand, der Tageszeit mit der stärksten Sonneneinstrahlung, die meisten Verbraucher ans Netz genommen werden können: die SolarWave fährt dann zügig und der Wassermacher läuft. Es muss außerdem geplant werden, wie viel Batterieleistung bei Ankunft am vorhergesehenen Ort noch in der Batterie sein soll. Das ist wiederum abhängig von der Wettervorhersage für den Folgetag und den nächsten geplanten Streckenabschnitt („Törn“) – außerdem muss der Schiffsführer natürlich wissen, wie viel Energie das Schiff in der Nacht verbraucht. Für Sicherheitsmanöver ist zusätzlich eine Reserve einzuplanen.
  7. Verbraucher:
    Eine gute Kenntnis des jeweiligen Energieverbrauchs der elektrischen Geräte an Bord ist sehr wichtig. Deshalb werden die Verbraucher, z.B. der Wassermacher, der Kühlschrank, die Heißwasserboiler, überwacht, bzw. smart gesteuert – der Forschungsbereich nennt sich „Smartship“ in Anlehnung an „SmartHome“.

Und um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: bei idealisierten Bedingungen, ganztägigem Sonnenschein, Wind und Welle von hinten und moderaten sonstigen Ansprüchen, kann die SolarWave am Tag über 60 Seemeilen fahren. Das sind mehr als 110 km. Nicht schlecht für ein 12 Tonnen Boot.

Für möglichst lange Fahrten gilt „früh starten und langsam fahren“ – dann sind bei günstigen Bedingungen ungefähr 64 Seemeilen erreichbar: das ist die goldene „4 mal 4 mal 4“ Regel des Solarboot-Skippers. 4 Knoten bei 4-hundert Umdrehungen pro Minute (UpM) der Motoren und ca. 4 kW (gesamte) Motorleistung, 4 mal 4 (16) Stunden) lang, macht 4 mal 4 mal 4 (64) Seemeilen.

Ach ja – und den Törn nach Erikousa, ca. 55 Seemeilen Richtung Nordwest, also gegen Wind und Welle, haben wir auf 2 Tagesetappen verteilt und einen Zwischenstopp in Kassiopi gemacht. Am ersten Tag wurde Nachmittags gefahren und am zweiten Tag bei Sonnenaufgang gestartet, um den nachmittags aufkommenden Wind und die damit verbundene Welle zu vermeiden. 

Hier ein paar Impressionen des Törns:

SolarWave beim Auslaufen aus der Ankerbucht in Korfu, mittags bei strahlendem Sonnenschein.
SolarWave beim Gegenanfahren gegen einen Wind von 5 bft und eine steile, kabbelige 1m Welle, 2 Stunden später, kurz vor Kassiopi.
Das verbraucht viel Energie und die SolarWave fährt dann 1-2 kn langsamer.
Aufbruch in Kassiopi am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang um den stärkeren Wind am Nachmittag zu vermeiden. Hier müssen die Batterien übernehmen, da so früh morgens noch nicht ausreichend Solarertrag zum Fahren da ist.
Ankunft in der südöstlichen Bucht von Erikousa am frühen Mittag. Die Batterien sind nach der Vormittagsfahrt fast leer. Am Nachmittag sind die Batterien bei dem wolkenlosen Himmel und dem guten Solarertrag schon wieder geladen.