Energieeffizientes Fahren mit Gourmet-Bordküche
Vor rund 2 ½ Jahren haben wir, Jasmin Dinkwa und ich, Christian Randegger, den Plan gefasst, mit einem Solarboot auf die lange Blauwasserreise zu gehen. In diesem Zusammenhang nahmen wir Kontakt mit www.solarboot-projekte.de auf. Ein reger Austausch entwickelte sich und irgendwann luden uns Falk und Susanne für einen mehrtätigen Törn um Korfu ein. Ziel war es, unseren Wunsch nach dem Leben auf einem ähnlichen Boot praxisnah zu überprüfen, Neues dazu zu lernen und eigene Naturbeobachtungen zu dokumentieren.
10 Tage auf der SolarWave 46
Falk holt uns Schweizer Landratten am Quai in der Bucht von Kerkyra ab und bringt uns zur SolarWave (auf dem Bild im Hintergrund zu sehen). Das erste herzliche kulinarische Willkommen – zubereitet von Susanne – macht Freude. Nach kurzer Einführung in die Bootsregeln durch den Skipper werden die Kojen bezogen. Gegen Abend erkunden wir Teile der Altstadt und genießen den Sundowner im hervorragenden Restaurant des Korfu Sailing Clubs. Der erste Eindruck des Solarboots überzeugt uns sehr.
Gemächlichkeit und Zuverlässigkeit
Bei strahlendem Wetter und kaum Wind fährt Falk los und ankert rund 5 ½ Stunden später in der Bucht von Kassiopi. Unterwegs gibt es nebst leckerem Frühstück erste technische Informationen rund um das Energiemanagement des Bootes. Das Wesentliche scheint dabei, dass der Skipper das richtige Verhältnis findet zwischen Geschwindigkeit – oder mit 4 Knoten, also etwas mehr als 7 Kilometern pro Stunde, Reisegeschwindigkeit wohl eher Gemütlichkeit – und verfügbarer Energie. Die Rümpfe des Katamarans sind dafür strömungsoptimiert. Allerdings gibt es wie bei jedem Boot Optimierungsbedarf. Im Blick auf die von uns geplante Blauwasserfahrt sind darum die gemeinsam diskutierten Ideen sehr wertvoll. Falk entpuppt sich dabei als ein wandelndes «Wikipedia». Wie an fast jedem Ankerplatz durchstöbern Susanne und Falk stundenlang die Unterwasserwelt. Sie dokumentieren dabei unzählige Tier- und Pflanzenarten, welche sie als gemeinnützige Organisation auf https://www.inaturalist.org/ und https://www.gbif.org publizieren. Dabei entstehen wunderbare Bilder, welche hier zu sehen sind: https://www.inaturalist.org/projects/solarwave-2023
Zu den diapontischen Inseln
Schon um halb sieben surren die beiden Elektromotoren und schieben uns mit 540 U/min durch das klare Wasser. Nach einem Zwischenstopp zum Schnorcheln in einem schönen Tauchrevier geht’s weiter zur Insel Mathraki. Unterwegs begegnen uns Seemöwen, eine Gruppe von Gelbschnabelsturmtauchern. Selbstverständlich wird die Fahrt verlangsamt, um aus der Mission für Naturbeobachtungen heraus, diese Wasservögel zu fotografieren und zu dokumentieren. Dabei zeigt sich der Vorteil des leisen Antriebs der SolarWave. Die wachsamen Tiere werden dadurch kaum gestört und fliegen erst im letzten Moment weg. Eigentlich sollten alle Boote, welche zum Zwecke der Naturbeobachtung gebaut und genutzt werden, mit leisen und umweltfreundlichen E-Motoren funktionieren – natürlich gespeist durch Solarstrom.
Unterwegs ist die Fahrt auf der SolarWave derart entspannt, dass sogar Yoga möglich ist, weitere interessante Gespräche folgen und wir auch mal Zeit für ein Nickerchen haben. Dabei werden wir rund um versorgt durch das aufmerksame Skipperpaar Susanne und Falk.
Landgang auf Ereikousa
In der malerischen Ankerbucht ist durch den Fährbetrieb der Kerkyra Lines Vorsicht geboten. Doch die beiden erfahrenen Skipper sind bedacht, jedes Risiko abzuschätzen und zu vermeiden. Seit rund 10 Jahren befahren sie während der Sommermonate die Inseln des Ionischen Meeres und kennen deshalb die örtlichen Eigenheiten und die geltenden Regeln sehr gut.
Sie erzählen auch gerne von diesen Erfahrungen und teilen mit uns ihr wertvolles Wissen über Seemannschaft, versteckte Bäckereien und Minisupermärkten an Land und schöne Wanderungen auf den höchsten Punkt der Insel. Dabei beeindruckt uns ihre Sorgfalt gegenüber den Tieren (und Menschen), welche ihnen über den Weg kriechen, krabbeln, flattern, fliegen, hüpfen oder schwimmen. So entstehen Aufnahmen von Tieren, die wir so gar nicht erwartet haben, beim Gedanken an einen Boots-Törn um Korfu.
Steilküsten wie am Ärmelkanal
Afionas mit der großen Ankerbucht lockt. Unterwegs erfahre ich viel über neuartige Solarzellen und den Umbau der Elektrik, welche Falk in seinem Boot selbst erledigt und optimiert hat. Inspiriert vermesse ich anschließend den Niedergang, die Zimmerbreite, die Toilettenmaße und vergleiche diese mit dem Plan unserer Solarboot-Bauskizzen, mit dem wir die Atlantiküberquerung meistern wollen. Dabei zeigt sich, weniger könnte mehr sein, eine Redimensionierung am richtigen Ort spart Gewicht und Kosten. Und bald beginnen sogar beim Experten Falk die Gedanken zu fliegen, was noch alles erfunden oder neu erdacht werden könnte. Gemächlich ziehen dabei die malerischen Steilküsten der Nordwestküste von Korfu vorbei.
Wasser „herstellen“ – Wäsche waschen
Ein ganzer Tag am Ankerplatz ermöglicht allen, sich etwas auszuruhen: keine Fahrt planen müssen, das Wetter einfach genießen, sich dem Studium von Fachliteratur widmen, bootsspezifisches recherchieren, Feines kochen, schwimmen, Fotos bearbeiten und von der Blauwasserfahrt träumen. Weiterhin möchten wir daran festhalten, dass der Hauptantrieb über einen Solargenerator läuft. Zusätzlich braucht es wohl noch eine Art Notantrieb – Segel oder Dieselgenerator? Die Hirnzellen laufen heiß und brauchen diesen Ruhetag. Die Energieversorgung an Bord der SolarWave ist so ausgelegt, dass am Ankerplatz mit dem Wassermacher viele hundert Liter Süßwasser hergestellt werden, es kann gekocht, gekühlt, warm geduscht und mehrmals täglich die Kaffeemaschine gebraucht werden. Der Hotelberieb auf diesem Solarboot ist beispielhaft bequem – ohne einen Tropfen Diesel und ohne eine Steckdose mit Landstrom. Und Susanne liefert nebenher frische Wäsche, saubere Badetücher und gute Laune.
Überfahrt zum Festland
Für die Anfahrt nach Amoudia, wo der mythologisch wichtige Fluss Acharon an der Westküste des griechischen Festlandes mündet, wird nach fast 11 Stunden Fahrt ein Zwischenstopp in Petriti eingelegt. Ein abendlicher Besuch in der wunderschönen Panorama Taverne – eingebettet in einen tropischen Garten – rundet diese Tagesreise ab. Eine entlastende Abwechslung für Susanne, die mehrmals täglich für kreative und leckere kulinarische Highlights sorgt. Auch von diesem Restaurantpersonal werden die beiden Skipper herzlich begrüßt, man kennt sich mit der Zeit: Einheimische und die zwei „from the german solarboat“. Nach der frühmorgendlichen Überfahrt nach Amoudia begegnen uns zwischen Korfu und dem Festland Schnellfähren, riesige Motor-Yachten und Segelboote – meist sind diese viel schneller unterwegs aber nicht halb so gemütlich, ruhig, entspannt wie die SolarWave, welche nun mit fast 5 Knoten (9 Kilometer pro Stunde) gegen Südosten fährt. Die Frage stellt sich, warum analog zum Straßenverkehr auch auf dem Wasser vor allem Geschwindigkeit das Haupt(verkaufs-)argument ist. Erst zaghaft bauen Werften umweltfreundlichere und langsamere Boote. Meist geht es dabei jedoch eher um Greenwashing, d.h. obwohl man der Kundschaft zeigen will, wie nachhaltig neue Produkte sind, bauen bisher alle Solarboothersteller immer noch starke Motoren und Dieselgeneratoren ein. Nicht so die SolarWave. Da hilft neben guter Wetterbeobachtung, optimaler Routenplanung das energieeffiziente Fahren und trotzdem muss nicht auf Komfort verzichtet werden.
Morgendliche Fahrt auf dem Fluss der Toten
Die Wellen haben sich beruhigt, die Einfahrt vom Meer her in die Mündung des Acharon kann gewagt werden. Mit dem 1 kW E-Außenborder des Beibootes steuert uns Falk langsam den Flusslauf hinauf. Erste Vögel werden in der Dämmerung wach, zeigen sich schlaftrunken. Nach dem Wendepunkt lässt Falk das Boot Richtung Meer treiben. Nun sind wir so langsam wie der Fluss unterwegs und eine meditative Ruhe stellt sich ein – nur unterbrochen durch Eisvögel, Libellen, Reiher, Schwalben und einen Biber.
Susanne empfängt uns Frühaufsteher mit wunderbaren frisch gebackenen Brötchen – ein weiteres Gourmetstück, das nur mit genügend Energie an Bord möglich ist – und natürlich mit dem Talent und Einfallsreichtum der „Köchin“.
Ankern als tägliche Routine
Die Marinas in den Häfen im Mittelmeer sind seit Jahren immer voller, Liegeplätze sind teuer. Umso schöner ist das völlige autark Sein auf einem Solarboot, welches fast überall ankern kann. Darum ist dieses Manöver so wichtig. Falk und Susanne sind dabei ein eingespieltes Team mit klaren Rollen: er an der Ankerwinsch, sie an den beiden Steuerhebeln. Jeder Versuch sitzt, der Anker beschädigt kein Seegras, hält auch bei aufkommendem Wind und sorgt für einen ruhigen Schlaf.
Zurück in der Bucht von Petriti erwarten uns eine riesige Yacht mit Hubschrauber (auf dem Bild im Hintergrund). Wer es sich leisten kann, macht offenbar gerne auf „James Bond“ – Klimaerwärmung hin oder her.
Blinder Passagier
Es geht heimwärts in Richtung Ausgangshafen Kerkyra. Unterwegs fliegt eine Gottesanbeterin an Bord. Falk will sie von ganz nah inspizieren und später dokumentieren.
Inzwischen denkt sich Susanne das traditionelle Skipper-Essen aus, denn es wurde entschieden, abends auf dem Boot zu essen. Seit vielen Jahren findet an diesem Abend wieder einmal ein örtliches Fest “Varcarola 2023: Sounds of Corfu” am Hafen statt, welches wir von einem Ankerplatz aus wohl am besten miterleben können. Die SolarWave ankert dazu in der vordersten Reihe und wir werden staunende Zeugen der Aufführungen mit Orchester, Operngesang und zahlreichen Booten, welche zwischen Quai und ankernden Yachten die aufgeführte Kulturgeschichte illustrieren.
Das seltene Spektakel vor der Kulisse der beleuchteten Burganlage im Hafen ist beeindruckend. Susanne und Falk haben uns genau zum richtigen Datum in diesen Ankerplatz gebracht.
Sie haben umsichtig geplant, viel Insiderwissen geteilt und uns warmherzig umsorgt. Nebst vielem Fachwissen rund um Solargenerator, Batteriemanagement und Strömungsoptimierung von Seiten Falk zauberte Susanne fast täglich wunderbare Menus auf den Cockpittisch und gab Tipps rund um die Sicherheit, das Wohnen, Essen und Schlafen an Bord. Diesen Solarboot-Törn werden wir in guter Erinnerung behalten und empfehlen jedem, welcher sich wirklich für Solarboote interessiert, oder solche bauen will, sich mit diesen beiden Experten in Verbindung zu setzen. Es lohnt sich. Wer weiß, vielleicht trifft unser geplantes Boot bald selbst auf die SolarWave in Korfu? Nach den vielen Expertentipps, die wir nun in unsere Umsetzung einfließen lassen, könnte das schon bald Realität werden.
Ein großes Dankeschön an Susanne und Falk für dieses wunderbare, eindrückliche Erlebnis. Wir wünschen Euch immer mal wieder Leute, welche sich intensiv für Eure bewundernswerte Mission interessieren und diese unterstützen.
Herzliche Grüße von Jasmin und Christian